Unter einer juvenilen Arthritis versteht man das Auftreten einer Gelenkentzündung bei einem Kind unter 16 Jahren. Zwei bis drei von 1.000 Kindern unter 16 Jahren erkranken pro Jahr in Deutschland an einer Gelenkentzündung. In der Regel ist diese Gelenkentzündung harmlos, tritt im Zusammenhang mit Infekten auf und klingt innerhalb von Tagen oder Wochen folgenlos ab. Besteht die Gelenkentzündung unklarer Ursache mindestens sechs Wochen, spricht man von juveniler idiopathischer Arthritis oder JIA (früher: juvenile chronische Arthritis oder JCA).
Verschiedene Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis
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Den folgenden Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis gemeinsam ist die Entzündung mindestens eines Gelenkes unklarer Ursache bei einem Kind unter 16 Jahren. Die einzelnen Formen der JIA unterscheiden sich jedoch in ihrem Erscheinungsbild zu Erkrankungsbeginn und in ihrer Prognose. Deshalb können sie ein unterschiedliches therapeutischen Vorgehen erfordern.
- systemische Arthritis
Die systemische Arthritis beginnt mit sehr hohem Fieber, geht häufig mit blass-rötlichen Hauterscheinungen einher und lässt Entzündungen der Gelenke und inneren Organe (z.B. des Herzens) erkennen. Weniger als 10% der Kinder mit JIA erkranken an dieser Rheumaform. - seronegative Polyarthritis
Die seronegative Polyarthritis beginnt oft im Vorschulalter mit Entzündungen von mehr als vier Gelenken. Typischerweise sind die kleinen Finger- und Zehengelenke neben den Hand- oder Sprunggelenken betroffen. Ein Rheumafaktor kann bei dieser Rheumaform, die etwa 15% aller Kinder mit JIA aufweisen, nicht nachgewiesen werden. - seropositive Polyarthritis
Die seropositive Polyarthritis ist im Kindesalter sehr selten (< 5% aller JIA-Fälle). Sie entwickelt sich meist bei jugendlichen Mädchen und ähnelt der rheumatoiden Arthritis im Erwachsenenalter. Rheumafaktoren lassen sich bei dieser JIA-Form nachweisen. - Oligoarthritis
Über die Hälfte aller JIA-Patient(inn)en leiden an dieser Form des kindlichen Rheumas. Sie ist charakterisiert durch Entzündungen weniger Gelenke (zu Erkrankungsbeginn nicht selten nur des Kniegelenkes) und tritt bevorzugt im Kleinkindalter auf. Jede/r fünfte Patient/in mit Oligoarthritis entwickelt eine Augenentzündung, sodass regelmäßige Augenarztuntersuchungen notwendig sind. Im Verlauf kann die Oligoarthritis in eine Polyarthritis übergehen. - Psoriasisarthritis
Die Gelenkentzündung kann der Schuppenflechte (Psoriasis) um Jahre vorausgehen. Hinweisend auf das Vorliegen einer Psoriasisarthritis sind Psoriasiserkrankungen bei Verwandten, Nagelauffälligkeiten oder Entzündungen einzelner Zehen oder Finger. - Arthritis mit Enthesitisneigung (Enthesitis-assoziierte Arthritis)
An dieser Form der JIA erkranken typischerweise Jungen im Schulalter. Sie zeigen neben Gelenkentzündungen an Knie- und Sprunggelenken Sehnenansatzentzündungen (Enthesitis), z.B. an der Ferse. - andere Arthritis
Nicht sicher einzuordnende Formen werden als andere Arthritis bezeichnet.
Ursachen der juvenilen idiopathischen Arthritis
Bisher sind die Ursachen für das Auftreten einer JIA unklar. Unstrittig spielt zumindest bei mehreren Formen der JIA eine genetische Bereitschaft eine Rolle. Weitere Faktoren müssen jedoch hinzutreten, um eine juvenile idiopathische Arthritis auszulösen. Keinesfalls zählt die JIA zu den vererbbaren Erkrankungen, so ist auch selten mehr als ein Familienmitglied betroffen. Es gibt Anhaltspunkte, dass Infektionen die Erkrankung bei einem empfänglichen Kind triggern können, wobei bisher kein arthritisauslösender Infektionserreger nachgewiesen werden konnte.
Krankheitslast der JIA
In Deutschland leiden etwa 3.000 bis 4.500 Kinder unter 16 Jahren an einer aktiven JIA. Jedes Jahr erkranken bis zu 1.000 Kinder unter 16 Jahren neu an einer chronischen Arthritis. Durch die chronische Erkrankung sind die Kinder und Jugendlichen oft in ihrer Funktionsfähigkeit im Alltag eingeschränkt, müssen krankheitsbedingt der Schule fernbleiben oder sind stationär behandlungsbedürftig. Daraus resultiert eine immense Krankheitslast nicht nur für die betroffenen Kinder, sondern auch für deren Eltern und Geschwister.
Diagnose
Die juvenile idiopathische Arthritis ist schwierig zu diagnostizieren. Manchmal fehlen Schmerzangaben der betroffenen Kinder oder sichtbare Gelenkschwellungen. Dann weisen lediglich Schonhaltungen oder ein auffälliges Gangbild der Kinder auf die Gelenkentzündung hin. Es gibt keinen die JIA beweisenden Laborwert, auch Röntgenuntersuchungen der Gelenke sind zu Erkrankungsbeginn in der Regel unauffällig.
Zahlreiche andere Erkrankungen (Infektionen, bestimmte Muskel- oder Knochenkrankheiten, bösartige Erkrankungen) können wie eine juvenile idiopathische Arthritis imponieren und müssen deshalb ausgeschlossen werden. Die Diagnosestellung erfordert im Allgemeinen viel Erfahrung und Zeit.
Behandlung
Die Behandlung der chronischen Gelenkentzündung im Kindesalter beinhaltet in erster Linie eine krankengymnastische und medikamentöse Behandlung. Letztere umfasst den Einsatz entzündungs- und schmerzlindernder Medikamente (nicht-steroidale Antirheumatika, z.B. Naproxen) und sogenannter Basismedikamente (z.B. Methotrexat). Im Unterschied zum Erwachsenenalter werden die Medikamente bei den Kindern nach dem Körpergewicht dosiert. Problematisch bei der Behandlung der JIA ist die für einige der eingesetzten Medikamente fehlende behördliche Zulassung.
Krankengymnastik und Ergotherapie dienen dem Erhalt bzw. der Verbesserung der Gelenkfunktion. Fehlstellungen können ausgeglichen und physiologische Bewegungsabläufe wieder richtig erlernt werden. Regelmäßige häusliche Übungsprogramme wirken hier unterstützend. Kinder und Jugendliche mit JIA sollten in den regulären Schulalltag integriert werden. Sie sollten an möglichst allen schulischen und Freizeitaktivitäten teilhaben und in familiäre Verpflichtungen einbezogen werden.
Familien mit rheumakranken Kindern sind in mehreren regionalen Selbsthilfegruppen und in der Rheuma-Liga organisiert. Der Kontakt und Austausch mit anderen Eltern wird oft als hilfreich empfunden. Die Rheuma-Liga bietet umfangreiches Material zu Krankheitsbildern sowie Hilfe im Alltag, informiert über Veranstaltungen und Patientenschulungen.
Kinderrheumasprechstunden
Die beste Versorgung der rheumakranken Kinder und Jugendlichen bieten Kinderrheuma-Ambulanzen, die in einem multidisziplinären Team (kinderrheumatologisch spezialisierte Kinderärzte/-ärztinnen, Krankengymnast(inn)en, Ergotherapeut(inn)en und Sozialarbeiter(innen) die notwendigen Maßnahmen mit Kinder- oder Hausärzten/-ärztinnen, Augenärzten/-ärztinnen, Orthopäd(inn)en, Kieferorthopäd(inn)en und Psycholog(inn)en koordinieren, mit dem Ziel, den rheumakranken Kindern eine altersgerechte Entwicklung zu ermöglichen.